Der Gripen ist wie ein messer, das schlecht schneidet

Geplaatst op 9 april 2013 | Dossier: Het project |

Printen Mailen

Bron: http://www.sonntagszeitung.ch

Der Chefingenieur der Schweizer Luftwaffe kritisiert den schwedischen Kampfjet – im Test brachte das Triebwerk des Gripen nur zwei Drittel der Leistung

Bern Laut der Broschüre des Verteidigungsdepartements VBS erreicht das Kampfflugzeug Gripen E/F, das die Schweiz für drei Milliarden Franken beschaffen will, doppelte Schallgeschwindigkeit: Mach 2.0. Vergangene Woche konnten zwei Schweizer Testpiloten im schwedischen Linköping erstmals die Demonstrationsversion des Jets testen. Doch Armasuisse-Pilot Bernhard Berset brachte den Gripen auch mit dem neuen Triebwerk von General Electric nicht über Mach 1.35. Die Luftzufuhr zum Antrieb war nicht gross genug für schnellere Flüge.

Experten aus Armee und Verwaltung erheben schwere Vorwürfe gegen den Gripen. Vor der Subkommission, welche die Beschaffung des neuen Kampfflugzeugs seit Februar in allen Einzelheiten untersucht, breiten Spezialisten die Schwächen detailliert aus. Die Spitze des Militärs liefert sich einen Guerillakrieg mit Whistleblowern aus Armee und Verwaltung, die jetzt neue Probleme des schwedischen Jets enthüllen.

So beteuert Armasuisse zwar, die ersten Testflüge in Linköping, seien erfolgreich durchgeführt worden. Doch ein Insider berichtet, die Schweizer hätten mehr erwartet. Man wollte die Flugeigenschaften des neuen Gripen mit drei zusätzlichen 1700-Liter-Tanks testen. Nur dieser Zusatz ermöglicht es dem schwedischen Jet, sich genügend lange in der Luft zu halten, um beispielsweise das Weltwirtschaftsforum in Davos effizient zu überwachen. Doch statt mit drei neuen, sind die Schweizer lediglich mit einem alten Tank geflogen. Dazu kamen eine Reihe weiterer Einschränkungen für einen echten Testflug. Die Amraam- und Irst-Lenkwaffen zum Beispiel, waren lediglich Attrappen.

Die genauen Auswertungen der Testflüge stehen noch aus. Viel Aussagekraft werden sie nicht haben, denn auch ein halbes Jahr nach dem Entscheid des Bundesrates für den schwedischen Jet sind auf dem bisher einzigen Vormodell in Linköping erst 7 der 98 Verbesserungen eingebaut, die die Schweizer fordern. Über die Hälfte der Upgrades gibt es erst auf Papier. Das geht aus der detaillierten Liste aller 98 technischen Verbesserungen für den Gripen hervor, die ein Insider der SonntagsZeitung zukommen liess und die von drei unabhängigen Experten überprüft wurden. Das VBS wollte auf Anfrage zu der vertraulichen Liste nicht Stellung nehmen.

Viele Komponenten des Jets müssen neu gebaut werden

Bisher hatte die Militärspitze stets vehement bestritten, dass es sich beim neuen Gripen E/F um ein «Papierflugzeug» handelt, das erst auf dem Reissbrett existiert. «Alle Elemente, die man einbauen wird, bestehen. Die sind erprobt. Die muss man jetzt zusammenfügen», sagte Verteidigungsminister Ueli Maurer Mitte März in der «Arena» des Schweizer Fernsehens.

Die Liste des Whistleblowers zeigt jedoch das Gegenteil. Die Flügel zum Beispiel existieren erst im Computer. Der Radar besteht zwar in Teilen als Prototyp, viele Komponenten sind aber noch in Entwicklung. Weil dieser neue Radar in der Flugzeugspitze künftig 200 Kilo mehr wiegt, muss Saab den Gripen hinten um 37 Zentimeter verlängern, damit er nicht nach vorne kippt. Dies erklärt Björn Danielsson, ein Ex-Kampfpilot der schwedischen Luftwaffe und Berater von Gripen-Hersteller Saab.

Die Konsequenz: «Es dürfte deutlich zweckmässiger sein, jeweils neue Flugzeuge zu bauen, als die bestehenden entsprechend zu modifizieren», so Jürg Weber, Leiter des Projekts für den Teilersatz des Tiger-Flugzeuges, am 21. Februar vor der Subkommission des Nationalrates, welche den Gripen-Entscheid durchleuchtet. Die SonntagsZeitung konnte Protokolle der Sitzungen einsehen, die in der Verwaltung zirkulieren. Darin bestätigt auch der Chefingenieur für die Evaluation der neuen Flugzeuge, Gérald Levrat, dass rund 70 Prozent aller Komponenten im Gripen neu hergestellt werden müssen.

Die Beschaffung eines Jets, der in weiten Teilen ein Papierprojekt ist, sorgt für heftige Kontroversen innerhalb der Armee. Bundesrat Maurer und Projektleiter Weber zeigten sich vor der Subkommission überzeugt, dass das Risiko akzeptabel sei. Armasuisse klassifizierte das Risiko der Upgrades in ihrem Bericht als «mittel», die Luftwaffe jedoch als «hoch».

«Wir werden bei der Lieferung die versprochene operationelle Effizienz nicht haben», so die klare Prognose von Chefingenieur Levrat vor der Subkommission. «Es kommt vor, dass der Hersteller bei Problemen nicht macht, was man will, weil er sonst die ganze Entwicklung neu beginnen müsste und das zu teuer käme», so der Ingenieur mit 30 Jahren Erfahrung bei der Erprobung von Luftwaffenkomponenten. «Das Risiko ist, dass wir die operationelle Wirksamkeit, die wir wollen, erst 2020 oder 2023 erreichen werden.»

Bei der entscheidenden Erteilung der Truppentauglichkeit für den Gripen E/F Ende 2009 waren sich die Armeeplaner sogar unsicher, ob man ein Flugzeug, das noch gar nicht existiert, überhaupt für tauglich erklären darf. «Als der Antrag kam, haben wir die Frage gestellt, ob das ein No-go ist», sagte Frieder Fallscheer, Stellvertretender Chef der Armeeplanung, am 3. April vor den Parlamentariern.

Neben dem Entwicklungsrisiko dreht sich die Debatte vor der Subkommission vor allem um die Frage, ob der Gripen für die Schweizer Luftwaffe überhaupt geeignet ist.

Die Parlamentarier diskutierten unter anderem einen gescheiterten Testflug mit einem Gripen der älteren Generation am 13. März 2008 über den Alpen. Im Einsatz stand damals der Gripen D 39-822, gesteuert von Peter «Pablo» Merz, wie nachträgliche Recherchen ergaben. Sein Auftrag lautete: eine F/A-18 abfangen, die aus dem Norden Richtung Tessin fliegt.

Merz startete mit einem Co-Piloten von Saab an Bord planmässig um 15.32 von der Militärbasis in Sitten, beschleunigte auf Mach 1.42, doch schon während des Anflugs blinkte im Cockpit die Alarmanzeige für den Treibstoff. Der Gripen hatte die F/A-18 zwar erreicht, konnte aber nicht mehr intervenieren, musste die Übung abbrechen und in Emmen LU landen. Bei 4 der 26 Testflüge in der Schweiz landete der Gripen C/D nach den Tests mit weniger als dem Sicherheitsminimum im Treibstofftank.

Derartige Ergebnisse führten zu den schlechten Testresultaten des Gripen im Bereich operationelle Wirksamkeit, welche die SonntagsZeitung am 12. Februar veröffentlichte. In einer Pressekonferenz zwei Tage später bezeichnete Verteidigungsminister Maurer diese Resultate als «komplett veraltet». Eine Woche später stellte Projektleiter Weber vor der Kommission klar, dass diese Testresultate unterhalb der minimal erwarteten Fähigkeiten bis zum Schlussbericht im Jahr 2011 Bestand hatten.

Dennoch zeigten sich Projektleiter Weber und Bundesrat Maurer vor den Parlamentariern überzeugt, dass der neue Gripen E/F den Anforderungen genügen wird. Weber gab jedoch zu, dass auch der Gripen E/F für Aufgaben der Luftpolizei weniger lange durchhält als die 15 Jahre alten F/A-18. «Wenn ein F/A-18 in Payerne startet und mit voller Leistung nach Davos fliegt, hat das Flugzeug ausreichend Treibstoff, um noch Einsätze zu fliegen. Beim Gripen kann das knapp werden», so Weber. Sein Fazit: «Beim Gripen müsste man unter Umständen das Einsatzkonzept ändern, wir müssten permanent über Davos in der Luft sein, damit wir dort intervenieren können.»

Das VBS riskiert einen weiteren Millionenflop

Chefingenieur Levrat hält den Gripen selbst in seiner künftigen Version schlicht für mittelmässig. «Der Gripen ist wie ein Messer, das schlecht schneidet. Man kann damit eine Schnur durchschneiden, aber bei etwas Härterem wird es schwierig», so sein Urteil. Levrat zeigte sich vor den Parlamentariern überrascht vom Entscheid des Bundesrates. In den Berichten der Luftwaffe «findet sich nichts, was die Entscheidung des Bundesrates unterstützt», so der Spezialist.

Jüngst musste das VBS einen 700-Millionen-Flop bei der Beschaffung eines neuen Führungsinformationssystems einräumen. Es fragt sich, warum Bundesrat Maurer schon wieder ein Risiko eingeht und Steuergelder in der Höhe von drei Milliarden Franken auf einen Kampfjet setzt, vor dem ihn viele seiner eigenen Spezialisten warnen. «Der Gripen ist das einzige Flugzeug, dessen Beschaffungs- und Unterhaltskosten die Gesamtfinanzierung der Armee nicht längerfristig ins Ungleichgewicht bringen würden», erklärte Maurer vor der Subkommission. Aufgrund dieses strategischen Urteils ist die Armee auch bereit, die Risiken mit einem noch nicht existierenden Flugzeug einzugehen, das in der Vorgängerversion schlecht abgeschnitten hat. Dieses Muster zieht sich durch sämtliche Aussagen der Armeespitze vor den Parlamentariern.

Im Abschlussbericht der Projektgruppe für den Tiger-Ersatz baute man deshalb extra zwei Anträge ein. Wenn man auf dem Niveau der Nachbarländer bleiben wolle, beantragte die Gruppe, den Rafale zu beschaffen. Sollte der Bundesrat hingegen zum Schluss kommen, ein Niveau wie in Schweden sei akzeptabel, dann beantragte die Gruppe, den Grippen zu kaufen.

Die Subkommission zur Überprüfung der Gripen-Beschaffung wird Ende Juni ihren Bericht vorlegen. Es spricht einiges dafür, dass sie Massnahmen fordern wird, zum Beispiel eine neue Offertenrunde aller Kampfjetanbieter. In der Zwischenzeit gilt es im VBS, den Entscheid vor dem Parlament und in der Öffentlichkeit zu verteidigen.

Bei den Tests in Linköping hat sich gezeigt, dass vielleicht nicht der Gripen, aber doch zumindest die PR-Maschine im VBS auf Hochtouren läuft. So hat man extra den letzten Testflug gekürzt, um Zeit für ein zusätzliches Fotoshooting zu gewinnen. Die ersten Erinnerungsfotos fand man nicht schön genug.

 

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